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Rechtsverordnung
über den Ausbildungsplan für das Lehrvikariat
(RVO-Ausbildungsplan)

Vom 5. Juli 2005

(GVBl. S. 125)

Der Evangelische Oberkirchenrat erlässt aufgrund von § 1 Abs. 3 S. 2 des kirchlichen Gesetzes über die praktisch-theologische Ausbildung des Lehrvikariats zwischen der ersten und zweiten theologischen Prüfung vom 4. Juli 1986 (GVBl. S. 105), zuletzt geändert durch kirchliches Gesetz vom 23. April 2005 (GVBl. S. 65 ff.), folgende Rechtsverordnung:
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§ 1
Grundsätzliches

Ziel des Lehrvikariats ist es, Lehrvikarinnen und Lehrvikare auf die theologisch verantwortete Wahrnehmung der Aufgaben des Pfarrdienstes vorzubereiten. Grundlegende Fähigkeiten sollen entdeckt und entfaltet, zentrale pfarramtliche Handlungskompetenzen angeeignet und eingeübt werden. Lehrvikarinnen und Lehrvikare sollen eine spirituelle und pastorale Identität entwickeln.
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§ 2
Ausbildungsplan

Die Inhalte und Ziele der praktisch-theologischen Ausbildung der Lehrvikarinnen und Lehrvikare werden im folgenden Ausbildungsplan geregelt:
Ausbildungsplan für das Lehrvikariat der Evangelischen Landeskirche in Baden
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Abschnitt A
Allgemeine Vorschriften

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I. Ziele der Ausbildung

  1. Die praktisch-theologische Ausbildungsphase für den Beruf der Pfarrerin bzw. des Pfarrers (Lehrvikariat oder Vorbereitungsdienst) setzt den erfolgreichen Abschluss des Studiums der Evangelischen Theologie als universitäre Ausbildungsphase voraus. Sie dauert 23 Monate.
  2. Ziel des Lehrvikariates ist es, Lehrvikarinnen und Lehrvikare auf die theologisch verantwortete Wahrnehmung der Aufgaben des Pfarrdienstes vorzubereiten. So sollen grundlegende Fähigkeiten entdeckt und entfaltet, zentrale pfarramtliche Handlungskompetenzen angeeignet und eingeübt werden. Lehrvikarinnen und Lehrvikare sollen eine spirituelle und pastorale Identität entwickeln.
  3. Während der Ausbildung sollen die Lehrvikarinnen und Lehrvikare lernen, eine eigene kritisch begründete Konzeption ihrer späteren Berufstätigkeit zu erarbeiten und ein dieser Konzeption entsprechendes Handeln einzuüben. Die Ausbildung soll die künftigen Pfarrerinnen und Pfarrer befähigen, ihre eigene Tätigkeit theologisch qualifiziert zu reflektieren, zu beurteilen und diesem Urteil entsprechend zu gestalten und zu korrigieren.
  4. Die Ausrichtung auf dieses Ziel trägt dem Umstand Rechnung, dass die späteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wiederholt gefordert sein werden, neue Tätigkeitsfelder und Arbeitsbereiche für sich in der Kirche zu erschließen. Darum können die Ausbildungsinhalte nur exemplarischen Charakter für kirchliche Arbeit überhaupt haben. Ausbildungsperfektionismus im Sinne von Vermittlung aller im Augenblick wünschenswerten Kenntnisse würde verhindern, dass die Lehrvikarinnen und der Lehrvikare während der Ausbildung lernen, sich Grundkategorien für die kirchliche Arbeit in jeder Situation zu erarbeiten; auch lassen sich aus Zeitgründen während der zweiten Ausbildungsphase nicht alle für den Beruf der Pfarrerin bzw. des Pfarrers wünschenswerten Kenntnisse vermitteln und Fähigkeiten erwerben. Vgl. dazu weiter Abschnitt F (Ausbildung und Fortbildung).
  5. Da die Ausbildung nur exemplarisch sein kann, werden in der II. Ausbildungsphase insbesondere diejenigen Fähigkeiten und Kompetenzen in den Blick genommen, die für die zentralen Handlungsfelder des Pfarrdienstes von grundlegender Bedeutung sind.
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II. Fähigkeiten und Kompetenzen

  1. Pfarrerinnen und Pfarrer haben die Aufgabe, in unterschiedlichen Kontexten das Evangelium zu bezeugen. Diese Aufgabe stellt sie vor hohe Herausforderungen, um Menschen erreichen zu können: Die Vielfalt religiöser Angebote erschwert es heute, unterscheidungsfähig und urteilsfähig zu bleiben. Dem gehen die Verkündigung und der Unterricht der Kirche nach, sie suchen nach angemessenen und zeitgemäßen Formen für das Zeugnis des Evangeliums, das sowohl Lebenshilfe bereitstellt als auch Menschen helfen will zu lernen, sich auf Gott zu verlassen, der mitten durch die Welt, ihre Probleme und ihre wunderbaren Schönheiten führt. Die Ausbildungsphase im Lehrvikariat muss sich dieser Aufgabe in Predigt, Unterricht, Seelsorge und Pastorallehre stellen und nach einer angemessenen sprachlichen Gestalt des Evangeliums suchen, die es Menschen heute ermöglicht, sich vertrauensvoll dem Evangelium von Jesus Christus zuzuwenden, aus ihm leben zu lernen und sich darauf einzulassen, was das Leben trägt und sinnvoll macht.
  2. Um der Vielfalt ihrer Aufgaben und den damit verbundenen Anforderungen gerecht zu werden, bedürfen Pfarrerinnen und Pfarrer grundlegender Fähigkeiten und zentraler Handlungskompetenzen, die daher im Lehrvikariat eingeübt werden. Sie stellen die „Schlüsselkompetenzen“ für den Pfarrdienst dar, die derzeit innerhalb der Gliedkirchen der EKD konsensfähig sind:
    1. theologische Kompetenz
    2. kommunikative Kompetenz
    3. soziale Kompetenz
    4. missionarische Kompetenz
    5. kybernetische Kompetenz.
  3. Es ist wichtig, sich bei diesen Kompetenzen zu vergegenwärtigen, dass einige Kompetenzen lehrbar und erlernbar sind (Selbstreflexion, Rollenbewusstsein; strategische Kompetenz, Planungskompetenz, Sprach-, Argumentations- und Dialogfähigkeit), einige prozessbegleitend entwickelbar sind (alle soeben genannten, ferner Team-, Konflikt- und Entscheidungsfähigkeit, auch Initiative und Belastbarkeit) und einige persönlichkeitsgebunden sind (Team-, Konflikt-, Entscheidungsfähigkeit, Initiative, Belastbarkeit und innere Stärke). Zu den Begabungen gehören z.B. Musikalität, rhythmisches Empfinden, künstlerische bzw. kreative Ausdrucksformen und Ausstrahlung. Dieser Versuch einer Zuordnung zeigt, wie sich persönlichkeitsbedingte, prozesshaft erlernbare und lehr- und lernbare Kompetenzen durchdringen. Einige dieser Kompetenzen und Fähigkeiten können während des Lehrvikariats zudem vor allem in den Ausbildungsgemeinden erlernt bzw. entfaltet werden, einige während der Ausbildungswochen im Petersstift erlernt oder vertieft werden, einige in beiden Lernorten, einige haben grundlegende Begabungen zur Voraussetzung, die schon während der bisherigen Sozialisationsphasen in Elternhaus, Schule und Studium erworben worden sind und nun stärker sichtbar werden können. Darum ist die Kooperation zwischen dem Predigerseminar und den Lehrpfarrerinnen und Lehrpfarrern für das Gelingen der Ausbildung Voraussetzung.
  4. Auf dem Hintergrund dieser grundlegenden Fähigkeiten soll im Lehrvikariat ein Lernprozess beginnen, in dem sich die Lehrvikarinnen und Lehrvikare jene zentralen Kompetenzen aneignen, die zu einer professionellen Führung des Pfarramtes notwendig sind. Dazu gehören unter anderen:
    1. Gottesdienstliche Haltung und Handlungskompetenz
      Hier geht es um eine verantwortete liturgische Gestaltung unterschiedlicher Gottesdienste einschließlich Kasualgottesdienste und Andachten, um das Verfassen und Halten von Ansprachen und Predigten, aber auch um kleine Formen, die zum Beispiel das seelsorgliche und alltägliche Handeln bestimmen. Was unter einer verantwortlichen liturgischen Gestaltung zu verstehen ist, wird im liturgischen Wegweiser und in den Agenden mit ihren Einführungen zu den Ordnungen und ihren Leitlinien für die freiere Gestaltung von Gottesdiensten ausgeführt.
    2. Seelsorgliche Kompetenz
      Pfarrerinnen und Pfarrer sind als Menschen und als Repräsentantinnen und Repräsentanten der Kirche gefragt. Sie sollen eine seelsorgliche Grundhaltung entwickeln, die sie befähigt, auf Menschen zuzugehen, sich in sie einzufühlen, mit ihnen kompetent zu kommunizieren, um Lebensbegründung, Lebensgewissheit und Lebensdeutung im Lichte des Evangeliums zu ermöglichen und den Glauben des Gegenübers zu stärken. Sie brauchen eine Wahrnehmungsfähigkeit im Blick auf die Dynamik von Beziehungen und Konflikten in ihrer täglichen Arbeit, im Blick auf das Verstehen von Schwellensituationen und Krisen, im Blick auf das Erkennen von psychopathologischen Krankheitsbildern. Ein wesentliches Element seelsorglicher Kompetenz ist die Fähigkeit, eigene Grenzen zu erkennen und sich zur rechten Zeit angemessene Hilfe zu suchen.
    3. Religionspädagogische Kompetenz
      Religionspädagogische Kompetenz ist die Fähigkeit, Lernprozesse im Religionsunterricht so zu initiieren und zu begleiten, dass ein erprobendes Lernen christlicher Religion möglich wird und Schülerinnen und Schülern die Chance eröffnet wird, eigenen Lebensfragen auf die Spur zu kommen, urteilsfähig zu werden über eigene und fremde religiöse Orientierungen und eine Ahnung zu gewinnen von den „tieferen und bleibenden Dimensionen des Lebens“, die sich durch das Evangelium von Jesus Christus (in vielfältiger, überraschender, konfrontativer, ironischer und hoffnungsvoller Weise) mitteilen. Die religionspädagogischen Grundaufgaben, die sich damit stellen, werden in differenzierter Weise wahrgenommen, indem im wissenschaftlich-theoretischen Diskurs christliche Religion in ihrer Sach- und Zeitgemäßheit reflektiert wird und emotionale, wahrnehmende und ins Verstehen christlicher Religion führende Lernwege ausgeschritten werden, die die Lebenswelten der Schülerinnen und Schüler sowohl würdigen als auch neu orientieren und ordnen helfen. Analoges gilt für den Konfirmandenunterricht.
      Die berufsspezifische Ausbildung der Lehrvikarinnen und Lehrvikare bereitet auf die unterrichtlichen und erzieherischen Aufgaben vor. Sie fördert
      aa)
      die Sensibilität für die religiöse Gegenwartslage der Schülerinnen und Schüler (diagnostische Kompetenz), um angemessene, altersgemäße und entwicklungsgemäße Lernwege und Strategien für den Unterricht entwickeln zu können (didaktische und methodische Kompetenz);
      bb)
      Wege der Präsentation des Religionsunterrichts an der Schule, indem sein theologisches Profil erkennbar bleibt und er nicht zu einem Unterricht wird, in dem es nur um beliebige religiöse Gestimmtheiten geht (theologische Kompetenz und Sachkompetenz);
      cc)
      die Auseinandersetzung mit der Identität der Lehrenden (personale Kompetenz) und die Reflexion der erzieherischen Begegnung (beziehungsdidaktische Kompetenz);
      dd)
      die Wahrnehmung des Religionsunterrichts als gleichberechtigtes Fach neben anderen Fächern im Schulkontext (Schulentwicklungskompetenz).
      Der religionspädagogische Kurs führt so in das Aufgabenfeld Religionsunterricht an der Schule ein; er gibt auch eine Einführung in den Unterricht in der Gemeinde (vor allem: Konfirmandenunterricht), der in seiner Gemeinsamkeit und Differenz zum schulischen Unterricht wahrgenommen wird.
    4. Missionarische Kompetenz
      Missionarische Kompetenz bedeutet die einladende, werbende, gewinnende Vertretung des christlichen Glaubens in allen Handlungsfeldern. Diese Kompetenz kann sich in jedem der pastoralen Handlungsfelder entfalten, z.B. in Homiletik und Liturgik durch die Form der Gestaltung von Gottesdiensten, die die Menschen mit einschließt, die der Kirche fernstehen, in Poimenik durch Seelsorge an Menschen, die nach Sinngebungsangeboten suchen, im schulischen Unterricht in der Art der Vermittlung grundlegender christlicher Lebensentwürfe und des glaubwürdigen Umgangs mit suchenden und zweifelnden Fragen, im Umgang mit und Zugehen auf Menschen, in ansprechender Gestaltung von Informationsmaterial und das Angebot an gemeindlichen Veranstaltungen.
    5. Kybernetische Kompetenz (Kompetenz in Motivierung und Leitung)
      Von Pfarrerinnen und Pfarrern wird erwartet, dass sie in gemeinsamer Verantwortung mit dem Kirchengemeinderat bzw. Ältestenkreis Gemeindeleitung ausüben. Die Ausbildung vermittelt dabei in erster Linie praktisches Wissen im kybernetischen Bereich. Sie verlangt darüber hinaus eine Reflexion der eigenen Funktion und Rolle als Mitarbeitende, des Kirchen- und Gemeindeverständnisses sowie der eigenen Sicht von „geistlicher Leitung“ und schärft als deren Grundlage den Blick dafür, was „mich selbst“ innerlich leitet. Ziel ist die Entwicklung von Kompetenz:
      aa)
      zum Umgang mit haupt- und nebenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Gruppenämtern und Dienstgemeinschaften (Teamkompetenz) sowie in der Rolle als Dienstvorgesetzter (Führungskompetenz);
      bb)
      zur Gewinnung, Ermutigung, Anleitung und Begleitung ehrenamtlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (Motivationskompetenz), zur praktischen und theologischen Aus- und Fortbildung aller Mitarbeitenden (Gemeindepädagogische Kompetenz);
      cc)
      zur Entwicklung und Strukturierung gemeindlicher Arbeitsfelder (Strategiekompetenz) bzw. zum Aufbau und zur Koordination von Mitarbeiterteams (Steuerungskompetenz);
      dd)
      zur Sitzungsleitung (Moderationskompetenz) in Gremien (Ältestenkreis, Gemeindebeirat, Ausschüsse), unterschiedlichen Gruppen und Kreisen sowie bei gemeindeübergreifenden Zusammenkünften (Ökumene, Kommune, Vereine);
      ee)
      zum sachlichen und seelsorglichen Umgang mit Konflikten (Vermittlungskompetenz).
      Die Herausforderung des Pfarrdienstes liegt in der Aufgabe, die theologische Verantwortung des Predigtamts wahrzunehmen und zugleich auf eine größtmögliche Eigenverantwortlichkeit der Kirchengemeinde und ihrer Gemeindeglieder hinzuarbeiten, wobei die örtliche Situation die jeweils angemessene Gewichtung von Leitung und Delegation bestimmt.
    6. Kompetenz zur Wahrnehmung öffentlicher Verantwortung
      Gerade unter den Bedingungen einer überwiegend ländlich strukturierten Volkskirche sind Pfarrerinnen und Pfarrer vielfältig gefordert, in kommunalen und anderen öffentlichen Zusammenhängen und in gemeinsamer Verantwortung mit den gemeindlichen und kirchlichen Gremien das Evangelium in seiner gesellschaftlichen Relevanz zu bezeugen.
      Einen wichtigen Rahmen für die Ausbildung bilden die Schwerpunkte und Leitlinien, die durch die Landessynode gesetzt sind. Hier sei besonders auf die Erklärung zum Verhältnis von Christen und Juden verwiesen. Außerdem besteht der Anspruch, in allen Handlungsfeldern die Dimensionen der Ökumene und der Diakonie bewusst zu machen. Schließlich sollen die Einsichten der „Gender“- Forschung in der Planung und Durchführung von Arbeitsprojekten im Blick sein.
    7. Pastoraltheologische Kompetenz
      Pastoraltheologische Kompetenz zeigt sich vor allem in der Fähigkeit, ein Amts- und Rollenverständnis zu entwickeln und die eigene Rolle und Praxis zu reflektieren. Zu ihr gehören auch Entwicklung und Gestaltung einer eigenen spirituellen Praxis und der reflektierte Umgang mit den Ressourcen Arbeitskraft und Zeit.
    8. Kirchenrechtliche Kompetenz
      Darunter ist die Fähigkeit zu verstehen, die rechtliche Gestalt von Kirche und ihren Lebensordnungen in allen Handlungsfeldern und auf allen Ebenen als Ausfluss theologischer Reflexion und innerkirchlicher Diskussions- und Entscheidungsprozesse zu verstehen und die Urteilsfähigkeit zu entwickeln, das kirchliche Recht bei Entscheidungen, die im Alltag des Pfarrdienstes auftreten, sachgemäß anwenden zu können.
  5. Die genannten grundlegenden Fähigkeiten und Handlungskompetenzen gehören zu den notwendigen Bedingungen für eine angemessene Ausübung des Pfarrberufes. In diesem Horizont geschieht die Ausbildung mit dem Ziel, die genannten Fähigkeiten zu entdecken, zu wecken und zu entfalten und sich die genannten Kompetenzen anzueignen und sie einzuüben.
  6. Beim badischen Übernahmeverfahren am Ende des Lehrvikariats, das die Übernahme in den Pfarrdienst regelt, werden derzeit die folgenden Kompetenzen in den Blick genommen:
    1. Selbstreflexion und Rollenbewusstsein (Fähigkeit zur Reflexion der eigenen Rolle und Ausbildung einer pastoralen Identität),
    2. Planungs- und Organisationskompetenz,
    3. Belastbarkeit und innere Stärke,
    4. Teamfähigkeit (Fähigkeit zur kollegialen Zusammenarbeit und Beratung),
    5. Strategische Kompetenz,
    6. Konfliktfähigkeit,
    7. Entscheidungsfähigkeit,
    8. Initiative,
    9. Sprach-, Argumentations- und Dialogfähigkeit (sichere Kommunikationsfähigkeit in unterschiedlichen Kontexten),
    10. Fähigkeit zur glaubwürdigen Vertretung des christlichen Glaubens (theologische Urteils- und Sprachfähigkeit).
  7. Ferner sollte eine Pfarrerin bzw. ein Pfarrer über die folgenden Fähigkeiten verfügen:
    1. sensible Wahrnehmungsfähigkeit individueller und gesellschaftlicher Prozesse,
    2. Fähigkeit zur Entwicklung von Stilsicherheit in öffentlicher Präsenz,
    3. Fähigkeit und Bereitschaft zur Klärung, Entfaltung und Pflege einer eigenen Spiritualität und zur Kenntnis und Würdigung anderer Formen von Spiritualität.
  8. Die unter den Nummern 6 und 7 genannten Kompetenzen lassen sich aus den oben genannten Kompetenzen ableiten, die in der praktisch-theologischen Ausbildung eingeübt werden.
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Abschnitt B
Bereiche der Ausbildung

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I. Allgemeines

  1. Die Ausbildung orientiert sich am kirchlichen Handeln. Die traditionellen Fächer der Praktischen Theologie tragen dazu in unterschiedlicher Weise bei; eine Kongruenz zwischen kirchlichen Handlungsfeldern und den traditionellen Fächern der Praktischen Theologie gibt es nicht, wohl aber eine besondere Nähe einzelner Fächer zu einzelnen Handlungsfeldern. Dabei ist zu beachten, dass nach reformatorischem Verständnis die Pfarrerin und der Pfarrer nicht als Solisten agieren, vielmehr ist kirchliches Handeln von der Gemeinde zu verantworten. Die Gemeinde in ihrer gesamtkirchlichen Einbettung ist der Bezugsrahmen des Berufes der Pfarrerin und des Pfarrers. Dieser Bezugsrahmen muss auch in der Ausbildung entlastend und komplementär zur Geltung kommen.
  2. Die Lehrvikarinnen und Lehrvikare werden mit der Aufnahme in den Vorbereitungsdienst (Lehrvikariat) einer Lehrpfarrerin oder einem Lehrpfarrer zugewiesen. Die Zuordnung wird von der Abt. Theologische Ausbildung im Personalreferat in Zusammenwirkung mit der Leitung des Predigerseminars vorgenommen, nachdem die Kandidatinnen und Kandidaten Wünsche hinsichtlich des Mentorats äußern konnten. Die Ausbildung erfolgt zum einen in den Praxisfeldern von Schule und Gemeinde, zum anderen in den darauf bezogenen Kurswochen im Predigerseminar. Theoretische Hinführung, vorbereitende Anleitung im Predigerseminar, beobachtende Teilnahme, angeleitete Praxis und Reflexion derselben mit der Lehrpfarrerin bzw. dem Lehrpfarrer sowie gemeinsame Auswertung der Erfahrungen (didaktische Schleife) im Predigerseminar gehören wesentlich zur Struktur der Ausbildung.
  3. Im Predigerseminar geschieht auch die Vorbereitung auf die II. Theologische Prüfung, die sich über den Zeitraum des 18. bis 20. Monats der Ausbildung erstreckt. In der II. Theologischen Prüfung führen die Kandidatinnen und Kandidaten den Nachweis, dass sie „in dem Maße über praktisch-theologische Kenntnisse, Einsichten und Fertigkeiten verfügen, wie dies Voraussetzung für die Übertragung und auftragsgemäße Wahrnehmung des öffentlichen Predigtamtes im Pfarramt, für die selbstständige Tätigkeit als Theologinnen bzw. als Theologen und für berufsbegleitende Fortbildung ist. Dieser Nachweis bezieht sich auf die Fähigkeit zu strukturell-analytischem Denken, zu systematisch-konstruktivem Können und zur Darstellung; er bezieht sich ferner auf Kenntnisse, auf denen die genannten Fähigkeiten basieren und die sowohl aus dem Studium bis zur I. Theologischen Prüfung als auch aus der praktisch-theologischen Ausbildung stammen“ (Ordnung der Theologischen Prüfung § 26).
  4. Die Verteilung der Kurswochen in den 23 Monaten des Lehrvikariats erfolgt durch das Predigerseminar. Der Plan ist für alle Kursmitglieder verbindlich. Die Themen der Kurswochen sind an den pastoralen Grundaufgaben orientiert. Außerdem treffen sich regionale Kleingruppen zu gegenseitigen Gottesdienstbesuchen und Besprechung von Seelsorgegesprächen.
    Die einzelnen Kurswochen werden zu Kursblöcken im Predigerseminar zusammengefasst. Nach dem vorliegenden Ausbildungsplan ergibt sich dabei eine Dauer der Kursblöcke von einer bis zu vier Wochen. Änderungen sind, bedingt durch Ferien- und Feiertage, von Kalenderjahr zu Kalenderjahr möglich.
  5. Im letzten Monat der Ausbildung findet eine Auswertungstagung statt, bei der die Erfahrungen in den Ausbildungsgemeinden und im Predigerseminar methodisch reflektiert werden. Die letzten drei Wochen der Ausbildungszeit dienen der Erholung oder gegebenenfalls dem Umzug in eine neue Gemeinde.
  6. Aus diesen Überlegungen ergeben sich die nachfolgenden Ausbildungsbereiche; zu deren Abfolge vgl. Abschnitt D Nummer 4 (Ablauf der Ausbildung).
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II. Schwerpunkte der Ausbildung

  1. Religionspädagogik
    Dem Erwerb religionspädagogischer Kompetenz dienen schwerpunktmäßig die ersten sechs Monate der Ausbildung. Die Lehrvikarinnen und Lehrvikare hospitieren zunächst mit einem allgemeinpädagogischen Praktikum in einer Schule in ihrer Ausbildungsgemeinde (Grund- und/oder Hauptschule). Danach erfolgt eine Einführung in die Religionspädagogik im Predigerseminar. Nach der Einführung erproben sich die Lehrvikarinnen und Lehrvikare im Unterricht an derselben Schule, begleitet von einer staatlichen Mentorin bzw. einem Mentor, und hospitieren bei ihrer Lehrpfarrerin bzw. ihrem Lehrpfarrer im Konfirmandenunterricht. In einem vierwöchigen Kurs im Predigerseminar (Kurs I) geschieht dann eine grundlegende religionspädagogische Ausbildung, die auch den Konfirmandenunterricht einschließt. Anschließend unterrichten die Lehrvikarinnen und Lehrvikare angeleitet Evangelische Religion und gestalten den Konfirmandenunterricht in ihren Ausbildungsgemeinden mit. Diese religionspädagogische Schwerpunktphase umfasst 6 Monate. Danach unterrichten die Lehrvikarinnen und Lehrvikare vier Stunden pro Woche aus dem Deputat ihres Mentors bzw. ihrer Mentorin Evangelische Religion an einer Grund-, Haupt- oder Realschule bis zum Ende der Ausbildung; ebenso sollte die Mitwirkung im Konfirmandenunterricht phasenweise fortdauern.
  2. Liturgik und Homiletik
    Während der sechsmonatigen religionspädagogischen Schwerpunktphase findet im Kurs I eine erste Vorbereitung auf bewusstes Erleben und Mitfeiern von Gottesdiensten statt. Eine zweite Einführungstagung gegen Ende des religionspädagogischen Schwerpunktes dient dann der gründlicheren Einführung in Liturgik und Homiletik. Sie bereitet auf eigenes Predigen und Gestalten von Gottesdiensten vor. Nach der religionspädagogischen Schwerpunktphase wird das gottesdienstliche Handeln zum Schwerpunkt: Gottesdienste gestalten und halten, Predigten exegetisch und homiletisch vorbereiten und halten, öffentliches Beten, gemeindliches Feiern, gemeinsames Gotteslob kennzeichnen diese Phase. In einem vierwöchigen Kurs im Predigerseminar (Kurs II) geschieht eine grundlegende homiletische und liturgische Ausbildung, die auch die Vielfalt gottesdienstlicher Gestaltungsmöglichkeiten einschließt. Hierzu gehören auch Übungen im liturgischen Verhalten und in Rhetorik zur Sensibilisierung der Selbst- und Fremdwahrnehmung. In Homiletik und Liturgik finden außerdem Einzelgespräche zu einer eingereichten Predigt und Liturgie statt. Anschließend halten die Lehrvikarinnen und Lehrvikare weiterhin angeleitet Gottesdienste und reflektieren diese in Ausbildungsgesprächen mit ihren Lehrpfarrerinnen und Lehrpfarrern. Wechselseitiger Gottesdienstbesuch in Regionalgruppen dient dem Erfahrungsaustausch und der Reflexion. 10 Pflicht (bis zum Ende der Ausbildung) ist es dabei, mindestens einmal im Monat einen Gottesdienst zu halten.
  3. Poimenik
    Nach einer Einführung in die Seelsorge in Kurs II beginnt eine Phase verstärkter Seelsorgebesuche und -gespräche in den Ausbildungsgemeinden. Dabei ist es hilfreich, wenn zunächst eine beobachtende Begleitung der Lehrpfarrerin bzw. des Lehrpfarrers geschieht, z.B. bei Krankenbesuchen und Kasualgesprächen, bevor in eigener Verantwortung Seelsorgegespräche geführt werden. Über die Seelsorgegespräche sind in einer vom Predigerseminar bestimmten Anzahl Protokolle zu erstellen (Verbatims), die dann in einem weiteren vierwöchigen Kurs im Predigerseminar (Kurs III) ausgewertet werden. In diesem Kurs geschieht eine grundlegende Einführung in Poimenik und die Auseinandersetzung mit Seelsorgekonzeptionen.
  4. Pastorallehre
    Nach einer ersten kurzen Hinführung zu pastoralen Fragen im Rahmen der Einführungstagung gegen Ende des religionspädagogischen Schwerpunkts soll mit einer Vorbereitung in Kurs III die vierte Schwerpunktphase eingeführt werden. In einem vierwöchigen Kurs im Predigerseminar (Kurs IV) werden schwerpunktmäßig Fragen des Amtsverständnisses behandelt, verschiedene Formen des Gemeindeaufbaus wahrgenommen und theologisch bedacht und Fragen der Kybernetik (z.B. Wahrnehmung von Leitungsverantwortung) thematisiert. Einen weiteren Raum nehmen Kasualien ein. Einzelgespräche zu eingereichten Kasualien, Zeitprotokollen und Gemeindewahrnehmungsberichten werden geführt. In der anschließenden Gemeindephase soll verstärkt eine Umsetzung von den zunächst konzeptionell wahrgenommenen Aufgabenfeldern realisiert werden.
  5. Kirchenrecht
    Durch alle Kurse hindurch zieht sich die Einführung in das Kirchenrecht der Evangelischen Landeskirche in Baden, speziell in die Grundordnung, die Lebensordnungen und das kirchliche Dienstrecht. Darüber hinaus werden Fragen des Staatskirchenrechts (allgemeine Religionsfreiheit, Religionsunterricht, kirchliches Selbstbestimmungsrecht) behandelt. Ziel des Unterrichts ist es, die theologischen Zusammenhänge zu vermitteln, in denen auch das Kirchenrecht steht, und Hinweise zur Lösung praktischer Rechtsfragen zu geben, die im pfarramtlichen Dienst auftreten können.
  6. Ökumenisches Lernen
    Durch Begegnungen mit Personen aus anderen Kirchen und möglichst auch anderen Religionen soll das schon im Studium erworbene ökumenische Wissen vertieft und die Dialogfähigkeit weiterentwickelt werden. Den jeweiligen Ausbildungsgruppen im Petersstift werden Möglichkeiten für Begegnungen eröffnet.
  7. Supervision
    Die Lehrvikarinnen und Lehrvikare nehmen in Kleingruppen verbindlich an Supervision teil.
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Abschnitt C
Lernschritte der Ausbildung

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I. Allgemeines

Das Ziel praktisch-theologischer Ausbildung kann nur in einem reflektierten Lernvorgang erreicht werden. Eine taugliche Theorie kirchlichen Handelns erschließt sich den Lehrvikarinnen und Lehrvikaren nur in gründlicher Begegnung mit der kirchlichen Praxis. Die Praxis bedarf aber wiederum der Theorie, wenn sie verstanden und gestaltet werden soll. Der bewusst mitvollzogene Wechsel von Theorie und Praxis während der ganzen Dauer der II. Phase ist darum die intensivste Einübung in die Planung und Gestaltung der späteren beruflichen Tätigkeit. Dieser Wechsel vollzieht sich in folgenden Lernschritten:
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II. Die Lernschritte im Einzelnen

  1. Kennenlernen
    Die erste Aufgabe der Lehrvikarinnen und Lehrvikare besteht darin, die kirchliche Praxis differenziert wahrzunehmen und geordnet zu erfassen. Sie müssen die Tradition einer Gemeinde, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und deren Arbeitsstil und Zusammenwirken kennenlernen. Sie sollen die Einrichtungen der Kirchengemeinde oder des Kirchenbezirks besuchen (Kindergärten, Sozialstationen, diakonische Einrichtungen). Sie müssen sich über die gesellschaftlichen Verflechtungen der Kirchengemeinde informieren, über die soziale Schichtung in der Gemeinde, die besonderen strukturellen Rahmenbedingungen, die Arbeitsbedingungen der Gemeindeglieder und besondere soziale Probleme (Arbeitslosigkeit, Armut). Dabei kann es sein, dass sie die Vielfalt des kirchlichen Dienstes zunächst als eine scheinbar unübersichtliche Leistungsabforderung erleben. Dies kann belastend sein, weil sie die Mitverantwortung für diese kirchliche Praxis auf sich zukommen sehen. Darum ist in dieser Phase die begleitende Beratung besonders herausgefordert.
  2. Ausprobieren
    Die Lehrvikarinnen und Lehrvikare begegnen der kirchlichen Praxis nur dann gründlich genug, wenn sie aus einer mehr rezeptiven Haltung in eine aktive Rolle hineinwachsen. Sie müssen also Gelegenheit haben, sich selber und die sie später erwartenden Aufgaben gleichsam in einem Freiraum zu erproben. Sie werden dabei erfahren, ob und wie ihre bisher gewonnene Theologie bei der Wahrnehmung kirchlicher Aufgaben helfen kann. Sie werden zugleich erfahren, ob und welche Methoden und Regeln ihrer theologischen Erkenntnis angemessen sind. Sie werden schließlich erfahren, dass und wie die von ihnen verantwortete Praxis der theoretischen Klärung bedarf. Es ist wichtig, dass sie ihre Erfahrungen – vielleicht sogar schriftlich – festhalten und mit der Lehrpfarrerin bzw. dem Lehrpfarrer und mit Gemeindegliedern besprechen.
  3. Analysieren
    Die beim Ausprobieren gemachten Erfahrungen verlangen eine gründliche Analyse. Sie wird über die Gespräche mit den Lehrpfarrerinnen bzw. den Lehrpfarrern hinaus mit anderen Lehrvikarinnen und Lehrvikaren in Regionalgruppen und im Predigerseminar vollzogen. In gemeinschaftlich vollzogener Analyse kann der Erfahrungsraum wesentlich verbreitert und die kritische Reflexion vertieft werden. Notwendig kommen dabei Normenfragen in den Blick. Darum ist es notwendig, dass an diesem Lernschritt die theologische Wissenschaft und andere für die künftige Pfarrerin bzw. den künftigen Pfarrer wichtige Wissenschaften beteiligt sind.
  4. Konzipieren
    Der Zweck der zweiten Phase ist das Tun. Darum folgt der handlungsorientierten Analyse das Konzipieren. Die Lehrvikarinnen und Lehrvikare sollen zu einem bewussten Konzept für die Ausübung des Berufs der Pfarrerin und des Pfarrers und für die Zielsetzung und Gestaltung der einzelnen Tätigkeiten gelangen. Dabei müssen sie die Fähigkeit entwickeln, im Rahmen ihrer Konzeption zu überzeugen, sich mit Gleichgesinnten zu verbinden und mit Andersdenkenden gewinnend umzugehen. Sie werden beachten, dass diese Aufgabe auch anderen Pfarrerinnen und Pfarrern vor und neben ihnen gestellt ist und darum von „Vätern und Brüdern, Mütter und Schwestern“ lernen. Die Wissenschaften und der Austausch in der Ausbildungsgruppe sind bei diesem Lernschritt unverzichtbar.
  5. Einüben
    Nach einer ersten Erprobungs- und Reflexionsphase geht es an das intensive Einüben. In dieser Stufe des Lernvorgangs werden die Lehrvikarin bzw. der Lehrvikar leistungsmäßig von der Praxis stärker gefordert und in jeweils besonderen Arbeitsgebieten zunehmend näher an die normale berufliche Belastung einer Pfarrerin bzw. eines Pfarrers geführt. Dass sie dabei weiterhin reflektierender Beratung und Korrektur bedürfen, versteht sich von selbst. Dieser Lernschritt wird mit der II. Theologischen Prüfung vorläufig abgeschlossen.
  6. Theoriegeleitet Ausüben/Praktizieren
    Dieses ist kein gesonderter Lernschritt innerhalb des Ausbildungsgangs, sondern dessen Gesamtziel. Berufsausübung in theologischer Verantwortung setzt sich in der späteren Amtszeit der Pfarrerin bzw. des Pfarrers fort und wird durch die Fortbildung unterstützt.
  7. „Didaktische Schleife“
    Die Reihenfolge dieser Lernschritte ist aus sich selbst heraus sinnvoll. Abweichungen können im Einzelfall vernünftig sein. Weil Leben und Lernen komplexer sind als Lerntheorien, ist zur Klärung und Wiederholung immer wieder ein Rückgriff auf vorangegangene Lernschritte nötig. Insbesondere muss während des Einübens weiteres Analysieren und Konzipieren möglich sein, und auch das Kennenlernen und Ausprobieren kann und soll durch theoretische Vorbereitung und Einführung ertragreicher gestaltet werden.
  8. Lernschritte und Ausbildungsbereiche
    Würden diese Lernschritte auf alle Ausbildungsbereiche gleichzeitig angewandt, wäre der Lernvorgang weniger effizient. Es ist besser, die Lernschritte auf die einzelnen Ausbildungsbereiche in einem geordneten Ablauf nacheinander zu beziehen und die Tätigkeitsbereiche stufenweise zu erweitern.
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Abschnitt D
Rechtlicher Rahmen

  1. Rechtsgrundlagen
    Die Rechtsgrundlage für die Ausbildung findet sich in § 1 Abs. 3 Kirchliches Gesetz über die praktisch-theologische Ausbildung der Lehrvikarin bzw. des Lehrvikars zwischen der ersten und zweiten theologischen Prüfung.
  2. Zeitablauf
    Die Ausbildungsjahrgänge beginnen jeweils am 1. April oder 1. Oktober eines Jahres. Die Ausbildung dauert 23 Monate und endet also mit Ablauf der Monate Februar bzw. August. Während der gesamten Dauer der Ausbildung wohnen die Lehrvikarinnen und Lehrvikare in der Ausbildungsgemeinde (Residenzpflicht). Das Lernen in und mit der Gemeinde wird unterstützend vorbereitet und weitergeführt durch Veranstaltungen des Predigerseminars Petersstift (Theologisches Studienseminar Morata-Haus) in Heidelberg; während dieser Veranstaltungen wohnen die Lehrvikarinnen und Lehrvikare im Morata-Haus.
  3. Anfangsphase
    Die Ausbildung beginnt mit einer etwa 14-tägigen Hospitationsphase in einer Schule in der Ausbildungsgemeinde (Schulpraktikum Teil I). Dabei begleiten die Lehrvikarinnen und Lehrvikare staatliche Lehrerinnen und Lehrer in deren allgemeinen Unterricht. Die Lehrvikarinnen und Lehrvikare machen sich mit ihren Lehrpfarrerinnen und Lehrpfarrern und den anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bekannt, richten sich ein und nehmen am gottesdienstlichen Leben der Gemeinde teil.
    In der Regel in der dritten Woche dieser Ausbildungszeit besuchen sie eine Einführungstagung im Predigerseminar. Die Tagung führt in den Ausbildungsgang ein, vermittelt Leitfragen für die weitere Ausbildung und bereitet die sich anschließende religionspädagogische Praxisphase vor. Es schließt sich mit eigenem Unterrichten der Teil II des Schulpraktikums an. Gleichzeitig wird im Konfirmandenunterricht hospitiert.
  4. Kurse
    Die Kurse des Predigerseminars gliedern die Ausbildung nach Ausbildungsbereichen. Ihre Themen, Schwerpunkte und Fächer wie auch ihre Abfolge sind wie folgt:
    Einführungstagung I
    Einführung in die Ausbildung
    Einführung in die Religionspädagogik
    Kurs I
    Hauptfach: Religionspädagogik
    Themen: Religionsunterricht, Konfirmandenunterricht, Arbeit mit Jugendlichen
    Beifächer: Kirchenrecht (Staatskirchenrecht, Rechtsfragen des Religionsunterrichts) und Liturgik (Gottesdienstformen und Gestaltungen mit Kindern und Jugendlichen)
    Einführungstagung II
    Einführung in Homiletik und Liturgik; Einführung in die Gemeindearbeit (Pastorallehre); Reflexion religionspädagogischer Erfahrungen
    Kurs II
    Hauptfächer: Homiletik und Liturgik
    Beifach: Kirchenrecht (Grundlagenproblematik, Aufbau der Kirche, ius liturgicum)
    Themen: Bewusst vollzogener Gottesdienst, traditionelle und freie Gestaltung des Gottesdienstes, gottesdienstliches Beten, Verkündigung und Bekenntnis, Abendmahl, Kirchenmusik, Liturgiegeschichte, das Zusammenspiel von Liturgie und Predigt, Predigtforschung, Predigtanalyse, Sprache usw. Einführung in Poimenik
    Kurs III
    Hauptfach: Poimenik
    Beifächer: Kirchenrecht (Pfarrdienstrecht); Liturgik (Leben aus der Taufe, Tauferinnerung, Ordination, Konfirmation, Gottesdienst als Versöhnungsgeschehen, Mitwirkungsformen der Gemeinde im Gottesdienst, Andachten)
    Themen: Seelsorgekonzeptionen, Besuchsdienst, seelsorgliches Gespräch, Privatbeichte, Krankendienst, übergemeindliche Seelsorge, Diakonie usw., Reflexion homiletischer Erfahrungen
    Kurs IV
    Hauptfach: Pastorallehre
    Beifächer: Liturgik (Trauung, Bestattung, Gottesdienst als Gestaltungsaufgabe); Kirchenrecht (Lebensordnungen, Amtshandlungen); Homiletik (freie Ansprache)
    Themen: Gemeindeaufbau; Pastoraltheologie; Kasualien; Taufe, Trauung, Bestattung, Kasualtheorie; Kybernetik, Zeitmanagement, Spiritualität usw.; Reflexion poimenischer Erfahrungen
    Auswertungstagung
    Zu Beginn des letzten Monats: Reflexion der Ausbildung in Gemeinde und Predigerseminar
    Diese Abfolge ist nach folgendem Prinzip geordnet: Vom institutionell Geschützten (Schule, Gottesdienst) zum persönlich Provozierenden (Seelsorge, Gemeindeaufbau). Aufgabe der Kurse ist die Reflexion von Praxis, genauer: Analysieren vorausgegangener Erfahrungen und Konzipieren weiterer Arbeit zum Zwecke nachfolgenden Einübens in der Praxis. Dabei wird in späteren Kursen erneut im Rückblick Möglichkeit zu Kontrolle und Kritik eingeübter Praxis gegeben, wie auch jeder Kurs zugleich nachfolgendes Kennenlernen und Ausprobieren eines neuen Arbeitsgebiets vorbereitet (didaktische Schleife). Für diese beiden zusätzlichen Aufgaben wird in den Kursen jeweils etwa ein Tag vorgesehen. Die Kurse dauern vier Wochen, erstrecken sich also über drei Wochenenden. Ein Wochenende wird als „Stiftswochenende“ (mit Einladung an Partnerinnen und Partner sowie Familie) gestaltet; die anderen Wochenenden stehen für Fahrten nach Hause zur Verfügung.
  5. Praxisphasen
    Die dem jeweiligen Kurs vorausgehende Praxisphase dient dem Kennenlernen und Ausprobieren des Arbeitsbereiches, den der nachfolgende Kurs behandelt. Die dem Kurs folgende Praxisphase dient dem Einüben in den im Kurs analytisch und konzeptionell bearbeiteten Arbeitsbereich. Nach dem Prinzip der didaktischen Schleife wird der Ausbildungsbereich, in dem dann neues Kennenlernen und Ausprobieren stattfinden soll, durch eine etwa eintägige Veranstaltung im vorangehenden Kurs vorbereitet; der Ausbildungsbereich, der zur Einübung vorgesehen ist, wird im folgenden Kurs durch eine eintägige Veranstaltung und/oder durch Einzelgespräche in Kontrolle und Korrektur erneut aufgenommen. Während der Einübung in einen Ausbildungsbereich übernimmt die Lehrvikarin bzw. der Lehrvikar regelmäßige Verpflichtungen der jeweiligen Lehrpfarrerin bzw. des Lehrpfarrers aus dessen bzw. deren regelmäßigen Verpflichtungen in diesem Ausbildungsbereich, wobei sich die darauf bezogene reflektierende Begleitung durch die Lehrpfarrerin bzw. den Lehrpfarrer fortsetzt.
  6. Schwerpunktbildung
    Durch den regelmäßigen Wechsel zwischen Kursen und Praxisphasen in Verbindung mit den Lernschritten ist die Lehrvikarin bzw. der Lehrvikar genötigt, jeweils einen Arbeitsbereich schwerpunktmäßig zu erarbeiten. Es ist der Bereich, der dem Kennenlernen und Ausprobieren dient. Das Einüben vorangegangener Schwerpunktbildungen setzt sich fort. Die Befähigung zur Schwerpunktbildung und zur Arbeitsplanung in begrenzten Zeiträumen ist ein wesentliches Ausbildungsziel angesichts einer Komplexität des beruflichen Alltags, die anders nicht strukturiert werden kann.
  7. Schema
    Das folgende Schema dient einer allgemeinen Orientierung; mit Rücksicht auf Semestertermine und Schulferien können sich Abweichungen ergeben.
    Woche 1 bis 2
    Anfangsphase (Hospitationsphase) – Schwerpunkt zwei Wochen Grund- und/oder Hauptschulpraktikum Teil I
    Woche 3
    Einführungstagung I mit Schwerpunkt der Vorbereitung der Praxis im Grund- und/oder Hauptschulunterricht
    Woche 4 bis 7
    Praxisphase 1 – Grund- und/oder Hauptschulpraktikum Teil II. Unterricht an Grund- und/oder Hauptschule im Rahmen von insgesamt 15 Stunden und Hospitieren im Konfirmandenunterricht
    Woche 8 bis 11
    Kurs I (Schwerpunkt: Religionspädagogik) Unterricht in Schule und Gemeinde mit Vorbereitung auf Praxisphase 2
    Woche 12 bis 20
    Praxisphase 2 – Religionsunterricht an Grund- und/oder Haupt- bzw. Realschule mit 10 Wochenstunden und Mitwirkung beim Konfirmandenunterricht in der Gemeinde
    Woche 21
    Einführungstagung II mit Schwerpunkt auf der Vorbereitung von Gottesdienstpraxis (Homiletik und Liturgik)
    Woche 22 bis 25
    Praxisphase 3 – Fortsetzung des Religionsunterrichts und der Mitwirkung beim Konfirmandenunterricht und sich überschneidend Gottesdienste gestalten mit Predigt und Liturgie, Vorbereitung auf Kurs II (Homiletik und Liturgik)
    Woche 26
    Beratender Unterrichtsbesuch; Ende der Schwerpunktphase RU
    Woche 27 bis 37
    Praxisphase 4 – Vorbereitung auf Gestaltung und Feiern von Gottesdiensten, Predigtarbeit; Fortsetzung des begleiteten Religionsunterrichts mit 4 Wochenstunden bis zum Ende der Ausbildung
    Woche 38 bis 41
    Kurs II (Schwerpunkt: Homiletik und Liturgik); zusätzlich Vorbereitung auf Praxisphase 5
    Woche 42 bis 56
    Praxisphase 5 – Besuchsdienste und Seelsorge; Vorbereitung auf Kurs III (Poimenik), Einüben von Gottesdiensten (mindestens einmal monatlich)
    Woche 57 bis 60
    Kurs III (Schwerpunkt: Poimenik); im Rahmen des Kurses eine Woche Klinikseelsorge; ferner mit Auswertung von Gottesdiensterfahrung; Vorbereitung auf Praxisphase 6
    Woche 61 bis 71
    Praxisphase 6 – Kasualpraxis ausprobieren; Wahrnehmen der Zusammenhänge der Gemeindearbeit, Einüben in Seelsorge, weiteres Einüben in Gottesdienstgestaltung und -feiern; Vorbereitung auf Kurs IV
    Woche 72 bis 75
    Kurs IV (Schwerpunkt: Pastorallehre) mit erneuter Auswertung von Seelsorge bzw. Seelsorgeerfahrung
    Woche 76 bis 78
    Praxisphase 7 – Einüben in Kasualpraxis; weiteres Einüben im Halten von Gottesdiensten; Examensvorbereitung
    Woche 79
    Zweite Theologische Prüfung – schriftlicher Teil (Klausuren in Poimenik und Pastorallehre, fakultativ Kirchenrecht)
    Woche 80 bis 89
    Fortsetzung der Praxisphase 7 – Einüben in Kasualpraxis: in dieser Zeitspanne
    Zweite Theologische Prüfung – praktischer Teil: Lehrproben und Gottesdienstbesuche
    Woche 90
    Zweite Theologische Prüfung – mündlicher Teil (Religionspädagogik, Homiletik, Liturgik, Poimenik, Pastorallehre, fakultativ Kirchenrecht, Disputation der Schwerpunktarbeit)
    Woche 91 bis 92
    Fortsetzung der Praxisphase 7 – Einüben in Kasualpraxis
    Woche 93
    Übernahmeverfahren
    Woche 94 bis 96
    Fortsetzung der Praxisphase 7 – Einüben in Kasualpraxis; 2 Wochen Übernahme des „vollen“ Dienstes der Lehrpfarrerin bzw. des Lehrpfarrers mit anschließender Reflexion im Ausbildungsgespräch
    Woche 97
    Auswertungstagung
    Woche 98 bis 100 (101)
    Urlaub/Umzug
    Urlaub wird während der Praxisphasen und im 23. Monat genommen.
  8. Ergänzende Maßnahmen
    1. Die starke Verankerung der Ausbildung in der Gemeinde (und der zu ihr gehörenden Schule) soll den Praxisbezug sichern und die Motivation der Lehrvikarinnen und Lehrvikare stärken. Darüber darf die theoretische Arbeit nicht zu kurz kommen. Sie leidet in einigen Fächern, wie etwa Liturgik, Pastorallehre und Kirchenrecht darunter, dass die Lehrvikarinnen und Lehrvikare keine oder zu geringe Basiskenntnisse aus der ersten Phase ihrer Ausbildung mitbringen. Das Predigerseminar wird dieses Defizit durch Ausgabe von Informations- und Arbeitspapieren ausgleichen; während der Kurse I–IV finden Grundlagenveranstaltungen in Kirchenrecht und Liturgik statt.
    2. Die Einführung in Didaktik und Methodik des Unterrichtens geschieht – wie hier vorgesehen – am intensivsten in einem Praktikum an Grund- und/oder Hauptschulen. Dieses Praktikum und der sich anschließende religionspädagogische Schwerpunkt kann allerdings nicht in einen unterrichtlichen Bereich eigener Art einführen: den Religionsunterricht in der reformierten Gymnasialoberstufe. In diesem Bereich unterrichten in der Regel hauptamtliche Religionslehrerinnen und Religionslehrer, immer seltener nebenamtlich dort tätige Pfarrerinnen, Pfarrer, Pfarrvikarinnen und Pfarrvikare. Lehrvikarinnen und Lehrvikare, die später einmal hauptamtlich in der reformierten Oberstufe unterrichten wollen, erhalten während der Probedienstzeit nach dem II. Examen eine vorbereitende Einführung durch das Religionspädagogische Institut.
    3. Ziel der Seelsorgeausbildung muss es sein, die Seelsorge für die Gemeinde zurückzugewinnen. Darum ist in diesem Ausbildungsplan die Gemeinde der Ort, an dem Seelsorge vor allem gelernt wird. Während der dem Kurs III vorangehenden Praxisphase sind Besuche zu protokollieren und mit der Lehrpfarrerin bzw. dem Lehrpfarrer auszuwerten. Die Besuche bei einer besonderen Zielgruppe (z.B. Neuzugezogene, junge Familien, Alte, Kranke) sind möglichst durch eine Gemeindeveranstaltung (z.B. Neuzugezogenentreffen, Eine-Welt-Feste, Gottesdienste mit bestimmten Zielgruppen) abzuschließen. Zusätzlich muss die Auswertung besonderer Gesprächsprotokolle regional so organisiert werden, dass jeweils eine Regionalmentorin bzw. ein Regionalmentor mit mehreren Lehrvikarinnen oder Lehrvikaren zusammen die Auswertung vornimmt. Während des Kurses III findet eine Einführung in die Seelsorge an Kranken in einer Klinik statt.
    4. Im Fach Pastorallehre soll (neben der Vermittlung von Kenntnissen und der Entwicklung von Fähigkeiten auf dem Gebiet des Gemeindeaufbaus) vor allem auch eine integrierende Perspektive auf den Beruf der Pfarrerin bzw. des Pfarrers in der Gemeinde als Ganzes entwickelt werden. Darum ist es unabdingbar, dass die Lehrvikarinnen und Lehrvikare Grundkenntnisse in und erste Erfahrungen mit methodischer berufsbegleitender Praxisreflexion erwerben können. Hierfür sind z.B. die Teilnahme an Gruppen, die nach dem Modell der Themenzentrierten Interaktion (TZI) arbeiten, kollegiale Praxisberatung oder die Teilnahme an Balintgruppen sinnvolle Maßnahmen. Anzustreben ist ferner die Vermittlung von Grundkompetenzen in der Wahrnehmung von Leitungsverantwortung.
    5. Dieser Ausbildungsplan stellt erhöhte Anforderungen an die Ausbildungstätigkeit der Lehrpfarrerinnen und Lehrpfarrer. Sie werden durch das Predigerseminar und den Evangelischen Oberkirchenrat in ihre Ausbildungstätigkeit eingeführt und darin begleitet und beraten. Der zeitliche Aufwand der Lehrpfarrerinnen und Lehrpfarrer für diese Maßnahmen wird teilweise dadurch ausgeglichen, dass die Lehrvikarinnen und Lehrvikare die Lehrpfarrerinnen und Lehrpfarrer in deren festen Arbeitsverpflichtungen zunehmend etwas entlasten können.
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Abschnitt E
Ausbildung und Prüfung

  1. Die II. Theologische Prüfung ist eine gestreckte Handlung, die sich über mehrere Wochen verteilt. Die in der Ausbildung gewonnenen Fähigkeiten zu strukturell-analytischem Denken werden vor allem im schriftlichen Teil der Prüfung nachgewiesen. Das systematisch-konstruktive Können wird weitgehend in den praktischen Teilen der Prüfung nachgewiesen. Die Prüfung der Kenntnisse erfolgt schließlich schwerpunktmäßig im mündlichen Teil, wobei die Ergebnisse des schriftlichen Teils der Prüfung und die schriftlichen Teile der Leistungen in den Praxisfeldern (Gottesdienst [Liturgie und Predigt] und Religionsunterricht) sowie die Schwerpunktarbeit die Grundlage des Prüfungsgesprächs bilden. Außerdem sichern die im Studium vor der I. Theologischen Prüfung erworbenen Kenntnisse ein sachkundiges Urteil und fördern die Wendigkeit bei der Lösung erkannter oder gestellter Probleme.
  2. Die Fähigkeit zur Darstellung wird in der II. Theologischen Prüfung durch die Gestaltung eines Gottesdienstes und durch die Durchführung einer Unterrichtsstunde nachgewiesen. Der Gottesdienst wird in der Kirche der Ausbildungsgemeinde und die Unterrichtsstunde in der Schule, in der während des Lehrvikariats das Unterrichten erlernt wurde, gehalten. Jeweils eine Prüfungskommission nimmt an dem Gottesdienst teil bzw. besucht den Unterricht. Im Anschluss an die Besuche finden Gespräche statt. Anschließend bewertet die Kommission die erbrachte Leistung.
  3. Auch das nach § 29 Abs. 3 Nummer 4 und Abs. 7 der Ordnung Theologischer Prüfungen vorzulegende Arbeitsergebnis eines während der zweiten Phase ausgeführten praktischen Arbeitsvorhabens (Schwerpunktarbeit) soll die Fähigkeit zur Darstellung unter Beweis stellen. Die Fähigkeit zur Darstellung bezieht sich auch auf die Kommunikation zwischen Kommunikatorin bzw. Kommunikator und Rezipientin bzw. Rezipienten innerhalb der Aufgabenstellung, die der Schwerpunktarbeit zugrunde liegt. Als Rezipientinnen und Rezipienten sind nicht – wie etwa bei einem Referat im Seminar oder bei einer Seminararbeit – Leute gemeint, die aufgrund eigenen Studiums mit den Problemen näher vertraut sind, sondern Personen aus anderen Berufsgruppen und mit anderen Qualifikationen.
    Für ein solches Vorhaben bieten sich zunächst die geschlosseneren Formen kirchlichen Handelns an: Predigt, Unterrichtseinheit usw. Sie lassen sich erweitern, indem z.B. bei einer Predigt eine Gruppenvorbereitung versucht wird; die Lehrvikarin bzw. der Lehrvikar hätte dann nicht nur die Predigt vorzulegen, sondern auch von der Gruppenvorbereitung detailliert zu berichten. Die Intention der Arbeit kommt besser zum Tragen, wenn sie in einer der offeneren Formen kirchlichen Handelns angesiedelt wird. So besteht eine gute Möglichkeit darin, ein wissenschaftlich oder kirchlich interessantes Thema allgemein verständlich in einem Vortrag darzustellen oder in Gruppenarbeit zu behandeln. Beispiele: Vortrag über Ziele des Religionsunterrichts anlässlich eines Elternabends in der Schule; oder: Dialogische Verkündigungsformen, Vortrag auf einer Tagung für Kirchenälteste.
    Es kann nicht ausbleiben, dass sich bei weiter zurückliegenden Projekten das Gefühl einstellt, man würde es inzwischen anders und besser machen, so dass man zögern könnte, es darzustellen. 10 In diesem Falle empfiehlt es sich, die Ergebnisse mit einem Kommentar zu versehen, der erkennen lässt, was man nach den eigenen neueren Erkenntnissen anders machen würde. 11 Nicht das Wissen der Lehrvikarin bzw. des Lehrvikars soll also aufgezeigt werden, sondern die Art, wie sie bzw. er dieses Wissen sach- und partnergerecht vermitteln und reflektieren kann.
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Abschnitt F
Ausbildung und Fortbildung

  1. Die durch die Definition des Ausbildungsziels und durch die zeitlichen Ausbildungsmöglichkeiten vorgenommene Begrenzung der Ausbildungsinhalte auf die im Gemeindepfarramt üblichen Handlungsfelder (wie etwa Unterricht, Gottesdienst, Seelsorge, Kasualien) lässt sich deshalb verantworten, weil berufsbegleitende Fort- und Weiterbildung immer stärker Bestandteil der Berufspflichten wird. Das allgemeine Basiswissen ist also während der zweiten Phase so zu vermitteln, dass auf ihm die Fort- und Weiterbildung aufbauen kann. In deren Rahmen erfolgt dann auch die Vorbereitung auf Spezialtätigkeiten in der Kirche; würde diese Vorbereitung bereits in der zweiten Phase erfolgen, würde verhindert, dass die Mitarbeiterin bzw. der Mitarbeiter später – seinen eigenen Interessen oder äußeren Notwendigkeiten folgend – eine neue Spezialisierung für neue Aufgaben betreibt. Die Vorbereitung auf Spezialtätigkeiten in der dritten Phase kann, muss aber nicht an die Schwerpunktbildung in der zweiten Phase anknüpfen. Der vorliegende Ausbildungsplan geht auf jeden Fall davon aus, dass er durch den Gesamtplan für die Fort- und Weiterbildung der Pfarrerinnen und Pfarrer (dritte Phase) ergänzt wird.
  2. Das ermöglicht es der Lehrvikarin bzw. dem Lehrvikar für sich allein oder zusammen mit anderen Lehrvikarinnen und Lehrvikaren bereits während der allgemeinen Ausbildung der zweiten Phase, eigene Interessen wissenschaftlich und praktisch zu verfolgen und so eine Schwerpunktbildung im Rahmen des praktisch-theologischen Basiswissens zu betreiben, an die sich dann gegebenenfalls auch die spätere Spezialisierung anschließt.
  3. Während des Probedienstes im Pfarrvikariat (II. Phase der Befähigung zum Pfarramt) stellt die Fortbildung in den ersten Amtsjahren (FEA) eine Nahtstelle zwischen der Pflichtfortbildung während erster eigenständiger beruflicher Tätigkeit im Pfarramt und künftiger selbstverständlich berufsbegleitend zu pflegender Fort- und Weiterbildung dar. Sie fördert die persönlichen, fachlichen und methodischen Kompetenzen der Pfarrvikarinnen und Pfarrvikare bzw. Pfarrerinnen und Pfarrer.
    Die Teilnahme an der Fortbildung in den ersten Amtsjahren ist Dienstpflicht. Spezialisierungen sind in der Regel erst nach 5 Jahren Erfahrung in der Führung eines Pfarramtes möglich.
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§ 3
Inkrafttreten

Diese Rechtsverordnung tritt am 1. Oktober 2005 in Kraft.
Karlsruhe, den 5. Juli 2005
Der Evangelische Oberkirchenrat
Dr. Ulrich Fischer
(Landesbischof)