Rechtsstand: 01.01.2021

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Artikel 15 b

( 1 ) Bestehen in einer Pfarrgemeinde mehrere Predigtstellen, können für deren Bereich durch Beschluss des Ältestenkreises Predigtbezirke eingerichtet werden. Der Ältestenkreis kann beschließen, in Predigtbezirken eine Teilortswahl durchzuführen. Beide Beschlüsse bedürfen der Genehmigung des Kirchengemeinderates und des Bezirkskirchenrates.
( 2 ) Benachbarte Pfarrgemeinden können zur Wahrnehmung gemeinsamer Aufgaben auf bestimmten Gebieten des pfarramtlichen Dienstes im Einvernehmen mit dem Kirchengemeinderat und dem Bezirkskirchenrat eine überparochiale Zusammenarbeit vereinbaren.
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Literatur
Winter, Jörg (2005): Verhandlungen der Landessynode der Evangelischen Landeskirche in Baden, Ordentliche Tagung vom 16. bis 20. Oktober 2005, S. 20.
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A. Errichtung von Predigtbezirken und überparochiale Zusammenarbeit

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Ein wichtiges neues Strukturelement ist in die Grundordnung durch das Gesetz zur Neufassung der Grundordnung vom 28. April 2007 eingeführt worden.1# Seitdem ist es möglich, dass eine Pfarrgemeinde in Predigtbezirke unterteilt werden kann.2# Damit soll im landeskirchlichen Verfassungsaufbau keine neue »Ebene« eingeführt werden, sondern eine Binnengliederung bei großen Pfarrgemeinden mit mehreren Predigtstellen ermöglicht werden. Dahinter steht das vor allem in der Kirchengemeinde Freiburg praktizierte Modell, mehrere bisher selbstständige Pfarrgemeinden zu einer Pfarrgemeinde zusammenzufassen, die einen größeren regionalen Bereich abdeckt (»Freiburger Weg«).3# Planungs- und Strukturentscheidungen, z. B. im Hinblick auf eine bessere Nutzung vorhandener Gebäude, werden so erheblich erleichtert. Diese größere Pfarrgemeinde mit mehreren Pfarrstellen entspricht in der Sache dem schon bisher möglichen Modell des Gruppenpfarramtes/Gruppenamtes bzw. der heutigen Dienstgruppe4#. Der Vorteil dieser Lösung liegt darin, dass die Zusammenarbeit in der verbindlichen Struktur der Pfarrgemeinde mit einem verantwortlichen Ältestenkreis geschieht. Zuständig für die Einrichtung von Predigtbezirken ist der Ältestenkreis,5# dessen Beschluss aber der Genehmigung des Bezirkskirchenrates und des Kirchengemeinderates bedarf. Absatz 1 wurde durch das Kirchliche Gesetz zur Änderung der Grundordnung vom 24. Oktober 20186# neu gefasst. »Mit der Änderung wird die Bildung eines Ortsältestenrates im Predigtbezirk unabhängig davon ermöglicht, ob eine Teilortswahl durchgeführt wird. Damit ist zwischen den Beschlussfassungen zur Einrichtung von Predigtbezirken, der Einrichtung von Ortsältestenräten und der Anordnung einer Teilortswahl zu unterscheiden.«7#
2
Absatz 2 entspricht der Regelung über die Vereinbarung einer überparochialen Zusammenarbeit im früheren Artikel 15 Abs. 8 GO a.F., stellt aber klar, dass ein Einvernehmen mit dem Kirchengemeinderat in jedem Fall erforderlich ist. Die Möglichkeit, zur Wahrnehmung gemeinsamer Aufgaben über die Grenzen der jeweiligen Ortsgemeinde hinaus Dienstgruppen zu bilden, ist durch das 14. Gesetz zur Änderung der Grundordnung vom 26. April 20018# eingeführt worden. Dieser Schritt war damals eine wesentliche Frucht der Diskussion auf der Suche nach möglichen Entlastungen im Pfarrdienst. Die genaueren Regelungen über die überparochiale Zusammenarbeit in einer Dienstgruppe finden sich in den § 4–6 der Rechtsverordnung des Evangelischen Oberkirchenrates über die Zusammenarbeit in Dienstgruppen.9#
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B. Predigtbezirke als Wahlbezirke

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3
Die Predigtbezirke können nach Art. 16 Abs. 3 Nr. 2 GO i.V.m. § 9 LWG zugleich als Wahlbezirke eingerichtet werden. Die Grundordnung hat sich dabei für die echte Teilortswahl entschieden, d. h., die Gemeindeglieder in den jeweiligen Predigtbezirken wählen jeweils für sich anteilig ihre Ältesten in den gemeinsamen Ältestenkreis. Die Alternative zur echten Teilortswahl wäre die unechte Teilortswahl gewesen, wie sie § 27 der baden-württembergischen Gemeindeordnung kennt. Danach kann eine Gemeinde mit räumlich getrennten Ortsteilen durch die Hauptsatzung bestimmen, dass aus Wohnbezirken, die aus jeweils einem oder mehreren benachbarten Ortsteilen bestehen, die Sitze im Gemeinderat nach einem bestimmten Zahlenverhältnis mit Vertretern der verschiedenen Wohnbezirke zu besetzen sind. Bei der unechten Teilortswahl sind die Bewerber in den Wahlvorschlägen getrennt nach Wohngebieten aufzuführen. Alle Wahlberechtigten der Gemeinde können dabei für die jeweiligen Wohnbezirke so vielen Bewerbern ihre Stimme geben, wie für das Wohngebiet Vertreter zu wählen sind. Für das kirchliche Wahlverfahren, das stärker durch den Gedanken der Persönlichkeitswahl bestimmt ist und bei dem parteipolitische Präferenzen keine Rolle spielen, erscheint die echte Teilortswahl als die passendere Variante.
4
Durch das 16. Gesetz zur Änderung der Grundordnung vom 20. Oktober 2005 ist die Möglichkeit abgeschafft worden, in den sog. kirchlichen Nebenorten eigene Ältestenkreise zu wählen, wie es bis dahin nach § 43 GO möglich war. Ziel war es dabei, die Strukturen zu vereinfachen und die Belastungen der Pfarrerinnen und Pfarrer in Gemeinden mit kirchlichen Nebenorten und mehreren Ältestenkreisen zu verringern.10# Eine teilweise Kompensation ist durch die Einführung der Teilortswahl erfolgt, die allerdings nur in den großen Städten in Betracht kommen dürfte.11# Ältestenkreise konnten in den kirchlichen Nebenorten zum letzten Mal bei den allgemeinen Kirchenwahlen im November 2007 gebildet werden.12#
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C. Übertragung von Aufgaben an den Ortsältestenrat

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Nach Art. 16 Abs. 4 GO kann der Ältestenkreis Zuständigkeiten an die Kirchenältesten delegieren, die aus dem jeweiligen Predigtbezirk gewählt worden sind.13# Die Einzelheiten dazu sind in § 14a des Leitungs- und Wahlgesetzes geregelt. Nicht übernommen hat die Landessynode den Vorschlag, dass es in den Predigtbezirken auch gewählte Älteste geben kann, die nicht dem Ältestenkreis der Pfarrgemeinde angehören. Die Regelung könnte, so ist die Befürchtung, den Eindruck erwecken, es gebe Älteste erster und zweiter Klasse.14#

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1 ↑ Siehe damals Art. 15 Abs. 7 GO.
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2 ↑ Vergl. dazu: J. Winter (2005); auch in anderen Landeskirchen ist eine solche Unterteilung größerer Gemeinden in Pfarrbezirke vorgesehen, vergl. z. B. Artikel 10 der Verfassung der Lippischen Landeskirche.
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3 ↑ Siehe dazu die Eingabe des Ältestenkreises der Auferstehungsgemeinde Freiburg vom 28. Juli 2005: Verhandlungen der Landessynode der Evangelischen Landeskirche in Baden, Ordentliche Tagung vom 16. bis 20. Oktober 2005, Anlage 11.1.
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4 ↑ Siehe dazu die Kommentierung bei Art. 15a Rdnr. 3f.
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5 ↑ Siehe auch: Art. 16 Abs. 3 Nr. 2 GO.
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6 ↑ GVBl. 2019, S. 30.
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7 ↑ Vorlage des Landeskirchenrates vom 20. September 2018: Entwurf Kirchliches Gesetz zur Änderung der Grundordnung und des Leitungs- und Wahlgesetzes 2018, Verhandlungen der Landessynode, Ordentliche Tagung vom 21. bis 25. Oktober 2018, Anlage 2, S. 170 (181).
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8 ↑ GVBl. S. 61; damals § 11 Abs. 5 GO.
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9 ↑ Rechtsverordnung zur Zusammenarbeit in Dienstgruppen (Dienstgruppen RVO) vom 05. November 2014, GVBl. S. 298, zuletzt geändert am 20. Juli 2017, GVBl. S. 202.
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10 ↑ Vergl. dazu die anschaulichen Beispiele des Synodalen Tröger in seinem Bericht der ständigen Ausschüsse: Verhandlungen der Landessynode der Evangelischen Landeskirche in Baden, Ordentliche Tagung vom 16. bis 20. Oktober 2005, S. 83 ff. (84 f.).
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11 ↑ Siehe dazu: J. Winter (2005).
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12 ↑ Siehe die Übergangsbestimmung in Art. 113 Abs. 1 a.F. GO.
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13 ↑ Siehe auch die Kommentierung dort.
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14 ↑ Die Regelung wurde nur im Kirchenbezirk Freiburg zur Erprobung freigegeben.