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Kirchliches Gesetz zur Einführung
der Lebensordnung Abendmahl

Vom 19. April 2008 (GVBl. S. 128)

Die Landessynode hat gemäß Artikel 60 Nr. 5 der Grundordnung das folgende kirchliche Gesetz beschlossen:
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§ 1

Für den Bereich der Evangelischen Landeskirche in Baden wird die angeschlossene Lebensordnung Abendmahl eingeführt.
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§ 2

( 1 ) Dieses kirchliche Gesetz tritt am 1. Mai 2008 in Kraft.
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Lebensordnung Abendmahl
Vom 19. April 2008 (GVBl. S. 128)

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I. Wahrnehmung der Situation

1.
Seit ihren Anfängen feiert die Christenheit das Abendmahl. Das Essen und Trinken von Brot und Wein erinnert an das letzte Mahl Jesu mit seinen Jüngern. In der evangelischen Kirche hat das Abendmahl in den letzten Jahrzehnten als Mahl der Vergebung und der Versöhnung, der Erinnerung und der Hoffnung, der Freude und der Danksagung, der Vergewisserung und der Gemeinschaft neu an Bedeutung gewonnen. Es ist zu beobachten, dass in vielen Gemeinden das Abendmahl häufiger als früher gefeiert wird und mehr Gemeindeglieder daran teilnehmen. Es wird in allen Agenden der Kirchen der EKD als integraler Bestandteil unseres Gottesdienstes begriffen. In manchen Gemeinden wird im Blick auf Alkoholgefährdete, Kranke und Kinder bei der Abendmahlsfeier auch Traubensaft gereicht. Vielen evangelischen Christen ist das Abendmahl zu einem wesentlichen Bestandteil ihrer Frömmigkeit geworden. Auch auf Kirchentagen, Freizeiten und Rüstzeiten oder in Gemeindekreisen wird das Abendmahl als Glaubens- und Lebenshilfe erfahren. Darüber hinaus können wir in der Evangelischen Landeskirche in Baden auf einen Prozess zurückblicken, in dem sich immer mehr die theologische, gemeindepädagogische und missionarische Bedeutung der Teilnahme von Kindern am Abendmahl erschlossen hat.
10 Die Landessynode hat deshalb am 25. Oktober 2001 auf Grund eines tieferen theologischen Verständnisses der Zusammengehörigkeit von Taufe und Abendmahl beschlossen, auch getauften Kindern die Teilnahme am Abendmahl zu eröffnen. 11 Eine reichere liturgische Gestaltung, Gesten der Versöhnung und Gemeinschaft und neuere Formen der Austeilung von Brot und Wein erweisen sich als wichtige Hilfen, die Fülle der Aspekte des Abendmahls neu zu entdecken. 12 Es ist Vorschein des himmlischen Freudenmahls und weist uns zugleich auf unsere irdische Verantwortung hin.
2.
Die positive Entwicklung der letzten Jahrzehnte wirft Fragen nach dem Umfang der Einladung zum Abendmahl auf. Viele Gemeindeglieder leben in einer konfessionsverschiedenen Ehe und vermögen nicht zu verstehen, warum nicht alle Kirchen Abendmahlsgemeinschaft untereinander haben. Ökumenische Gottesdienste und Begegnungen, gemeinsame Bibelwochen und Gesprächsabende bestärken sie in ihrer Ansicht, dass die Konfessionsgrenzen gerade bei der Abendmahlsgemeinschaft kein Hinderungsgrund sein dürften. Die „offizielle“ Auffassung, nach der die Konfessionszugehörigkeit für den Abendmahlsempfang eine wichtige Voraussetzung ist, wird immer weniger verstanden und akzeptiert. So kommt es auch vor, dass beispielsweise bei einer Konfirmation auch Ungetaufte oder aus der Kirche Ausgetretene an der Abendmahlsfeier teilnehmen wollen. Die christliche Gemeinde sieht sich vor der Aufgabe, zum Abendmahl einzuladen, ohne Zuspruch und Anspruch des Sakraments preiszugeben.
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II. Biblisch-theologische Orientierung

3.
Nach der von Paulus in 1. Kor 11, 23–25 zitierten Überlieferung und den Berichten der ersten drei Evangelien hat Jesus das Abendmahl „in der Nacht, da er verraten ward“ zum ersten Mal mit seinen Jüngern gefeiert (Mt 26, 27–29; Mk 14, 23–25; Lk 22, 19–20). Am Vorabend der Kreuzigung gibt er den Menschen, die ihm gefolgt waren, in diesem letzten Mahl zeichen- und sinnenhaft Anteil an seinem Leben. Während der Passahfeier verdeutlicht Jesus ihnen, dass sein unmittelbar bevorstehendes Leiden und Sterben ihnen zugute geschieht. Untrennbar ist mit dem Abendmahl die Aussicht auf das Reich Gottes verbunden. Paulus berichtet, die Überlieferung vom letzten Mahl Jesu, vom Herrn selbst empfangen zu haben (1. Kor 11, 23). So gründet das Sakrament des Abendmahls in der Stiftung und im Auftrag Jesu Christi.
4.
Jesus Christus ist im Abendmahl zugleich Gabe und Geber. In Brot und Wein empfangen wir von ihm die Wegzehrung, die uns im Glauben festigt und die in der Taufe gewährte Gemeinschaft mit ihm vertieft und erneuert. Er lässt uns Anteil haben an dem neuen Bund in seinem Blut, den Gott gestiftet hat, schenkt uns Vergebung der Sünden „und befreit uns zu einem neuen Leben aus Glauben. Er lässt uns neu erfahren, dass wir Glieder an seinem Leibe sind. Er stärkt uns zum Dienst an den Menschen“ (Leuenberger Konkordie Nr. 15). „In der Freude darüber, dass der Herr zu uns gekommen ist, warten wir auf seine Zukunft in Herrlichkeit“ (Leuenberger Konkordie Nr. 16).
5.
Über das Verständnis der Gegenwart Jesu Christi im Abendmahl gab es zwischen der lutherischen und der reformierten Kirche über Jahrhunderte hin unüberbrückbare Gegensätze, nachdem der Einigungsversuch zwischen Luther und Zwingli im Marburger Religionsgespräch 1529 gescheitert war. Erst die Arnoldshainer Abendmahlsthesen (1957) und die Leuenberger Konkordie (1973) haben zu einem gemeinsamen Abendmahlsverständnis geführt. In der Leuenberger Konkordie wird als gemeinsame theologische Überzeugung formuliert: „Im Abendmahl schenkt sich der auferstandene Jesus Christus in seinem für alle dahingegebenen Leib und Blut durch sein verheißendes Wort mit Brot und Wein. So gibt er sich vorbehaltlos allen, die Brot und Wein empfangen; der Glaube empfängt das Mahl zum Heil, der Unglaube zum Gericht“ (Leuenberger Konkordie Nr. 18).
6.
Leuenberger Konkordie Nr. 18 unterstreicht Verbindlichkeit und Gewicht der Feier des Abendmahls. Nicht der „Gerichtsernst“ des Abendmahls wird dabei betont, sondern die Gewissheit, die die Mitfeiernden haben dürfen, dass ihnen ihr Heil durch Christus geschenkt wird. Die Aussage vom Gericht nimmt einerseits ein biblisches Motiv auf (1. Kor 11, 27–29). Sie ist aber vor allem die Kehrseite unseres Glaubens, dass das Heil allein durch Christus geschenkt und im Glauben angeeignet wird. Die Aussage darf nicht zu dem Missverständnis führen, als sollten die Feiernden in sich selbst nach dem Grund für einen würdigen Empfang suchen. Im Gegenteil! Der Glaube bezieht sich auf das Geschenk und die Gabe Christi. In diesem Sinne wird im Kleinen Katechismus Luthers erläutert: „Wer empfängt denn dieses Sakrament würdig? Fasten und leiblich sich bereiten ist zwar eine feine äußerliche Zucht; aber der ist recht würdig und wohl geschickt, wer den Glauben hat an diese Worte: Für euch gegeben und vergossen zur Vergebung der Sünden ... denn das Wort Für euch fordert nichts als gläubige Herzen“ (vgl. EG 883.5). Der Empfang des Heils ist kein Automatismus. Gott überwältigt nicht, er will das Einverständnis. 10 Sein Geist beteiligt und ermächtigt die Empfangenden. 11 Durch ihre Zustimmung nehmen sie das Geschenk an. 12 Genau dies ist der Glaube, der vor Gott gerecht macht und zum christlichen Leben befähigt.
7.
Der Begriff „Abendmahl“ (auch „Nachtmahl“) wird von Luther erstmals in seiner Bibelübersetzung von 1522 gebraucht. Seitdem ist er die in deutschsprachigen evangelischen Kirchen übliche Bezeichnung. Der Begriff hält die Erinnerung daran wach, dass das Abendmahl nach den ersten drei Evangelien zum ersten Mal in Zusammenhang des Passahabends gefeiert wurde. Die von Paulus verwendete Bezeichnung „Mahl des Herrn“ (1. Kor 11, 20) erinnert besonders an den Stifter des Mahles und Geber seiner Gaben. „Eucharistie“ ist der im angelsächsischen und ökumenischen Sprachgebrauch vorherrschende Begriff. Er heißt übersetzt „Danksagung“ (vgl. 1. Kor 11, 24) und unterstreicht einen wichtigen Aspekt der Abendmahlsfeier. Die vor allem in der römisch-katholischen Kirche und bei den Anglikanern für die Austeilung übliche Bezeichnung „Kommunion“ meint in erster Linie den Empfang des Sakraments, weist aber auch auf seinen Gemeinschaftscharakter hin (1. Kor 10, 16f).
8.
Um der im Abendmahl vollzogenen engen Gemeinschaft Jesu Christi mit seiner Gemeinde willen setzt die Teilnahme am Abendmahl grundsätzlich die in der Taufe begründete Zugehörigkeit zur Kirche voraus. Glieder anderer christlicher Kirchen, mit denen Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft besteht, genießen das gleiche Recht zur Teilnahme wie die eigenen evangelischen Gemeindeglieder. Mit bestimmten Kirchen, wie z. B. der Altkatholischen Kirche, der Kirche von England und der Arbeitsgemeinschaft mennonitischer Gemeinden ist eucharistische Gastbereitschaft vereinbart, ohne dass eine volle Abendmahls- und Kirchengemeinschaft besteht. Nach evangelischem Verständnis steht auch Mitgliedern der römisch-katholischen Kirche und der orthodoxen Kirchen die Teilnahme am Abendmahl offen, wenn sie in persönlicher Verantwortung der Abendmahlseinladung folgen wollen.
Die eucharistische Gastbereitschaft gilt auch dann, wenn sie offiziell nicht erwidert wird, wie das bei der römisch-katholischen Kirche und den orthodoxen Kirchen der Fall ist.
Jede Gemeinde trägt eine hohe Verantwortung, die Menschen durch Verkündigung, Gespräch und die Gestaltung der Abendmahlsfeier an den Sinn des Sakraments heranzuführen.
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III. Richtlinien und Regelungen

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Präambel

„Im Abendmahl schenkt sich der auferstandene Jesus Christus in seinem für alle dahingegebenen Leib und Blut durch sein verheißendes Wort mit Brot und Wein. Er gewährt uns dadurch Vergebung der Sünden und befreit uns zu einem neuen Leben aus Glauben. Er lässt uns neu erfahren, dass wir Glieder an seinem Leibe sind. Er stärkt uns zum Dienst an den Menschen“ (Leuenberger Konkordie Nr. 15).
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Artikel 1
Abendmahlsfeier

( 1 ) Das Abendmahl wird nach der Ordnung der geltenden Agende gefeiert.
( 2 ) Für den Wortlaut der Einsetzungsworte ist die agendarische Form verpflichtend.
( 3 ) Das Abendmahl wird mit Brot und Wein gefeiert. Mit den Abendmahlselementen ist auch nach der Feier sorgsam umzugehen.
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Artikel 2
Leitung der Abendmahlsfeier und Mitwirkung

( 1 ) Die Verantwortung für die einsetzungsgemäße Feier des Abendmahls liegt bei den für diesen Dienst Ordinierten oder Beauftragten.
( 2 ) In der Wahrnehmung dieser Verantwortung können sie in begründeten Einzelfällen anderen Gemeindegliedern die Leitung einer Abendmahlsfeier übertragen. Diese Übertragung muss vom zuständigen Ältestenkreis bzw. Bezirkskirchenrat oder Evangelischem Oberkirchenrat genehmigt werden. Die einsetzungsgemäße Feier muss gewährleistet sein.
( 3 ) Bei der Austeilung des Abendmahls sollen Älteste und andere Gemeindemitglieder mitwirken.
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Artikel 3
Besondere Formen der Austeilung und des Empfangs

( 1 ) Das Abendmahl wird mit dem Gemeinschaftskelch ausgeteilt. In Ausnahmefällen können auch Einzelkelche benutzt werden; der Gemeinschaftscharakter des Abendmahls ist dabei zu wahren.
( 2 ) Statt Wein kann aus seelsorglicher Verantwortung Traubensaft gereicht werden. Dabei können Wein und Traubensaft in verschiedenen Gruppen ausgeteilt werden, insbesondere wenn Kinder am Abendmahl teilnehmen.
( 3 ) In regelmäßigen Abständen sollen die Gemeinden im Laufe des Kirchenjahres die Teilnahme an einem alkoholfreien Abendmahl ermöglichen. Dies ist in geeigneter Form bekannt zu machen.
( 4 ) Auch das Eintauchen des Brotes (intinctio) oder der Empfang des Abendmahls in einer Gestalt (nur Brot oder nur Kelch) sind zulässige Formen der Teilhabe am Abendmahl. Soll der Empfang des Abendmahls in der Form der Intinctio ermöglicht werden, so empfiehlt es sich, Oblaten als Brotelement zu verwenden.
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Artikel 4
Teilnahme am Abendmahl

( 1 ) Das Recht zur Teilnahme am Abendmahl setzt die Taufe voraus. Zur Teilnahme am Abendmahl sind die Glieder aller christlichen Kirchen eingeladen.
( 2 ) Kinder sollen ihrem Alter gemäß auf die Teilnahme am Abendmahl vorbereitet sein. Die Vorbereitung soll erkennen lassen, dass sie von Christus eingeladen sind und dass er im Abendmahl zu ihnen kommt. Diese Vorbereitung kann im Kindergottesdienst, im Familiengottesdienst und im Abendmahlsgottesdienst selbst erfolgen, aber auch durch besonderen Unterricht, auf Familienfreizeiten, Kinderbibelwochen und ähnlichen Veranstaltungen oder durch die Eltern und Paten selbst.
( 3 ) Das Recht zur Teilnahme in persönlicher Verantwortung und Entscheidung wird durch die Konfirmation eröffnet.
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Artikel 5
Abendmahl für Kranke und Sterbende

Kranken und Sterbenden soll auf Wunsch das Abendmahl zu Hause oder im Krankenhaus gereicht werden. Die Angehörigen und andere Gemeindeglieder werden zur Teilnahme eingeladen.
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Artikel 6
Abendmahl und Agape

Wird das Abendmahl im Zusammenhang einer Agape (Gemeinschaftsmahl) gefeiert, so sind die beiden deutlich voneinander zu unterscheiden.